"Köln ist ein Gefühl", steht auf dem roten Kugelschreiber, welchen ich am Freitag bei einer Pressekonferenz vom KölnTourismus geschenkt bekam. "Kölle, do bes een Jeföhl", haben wir im Karneval noch lautstark mitgesungen. Das ist alles richtig: Köln ist ein Gefühl - momentan aber eher ein mulmiges.
Tag für Tag trudeln in unserer Redaktion neue Hiobsbotschaften ein, die man zunächst in einem Artikel verarbeitet, bevor man sie für sich persönlich realisiert. Dann kommt die dicke Überraschung: Nur 20 Prozent der benötigten Stahlbügel wurden in den Haltestellen der neuen Nord-Süd-Bahn eingebaut?! Die Baugrube am Heumarkt muss demnächst eventuell geflutet werden, weil sie nicht so wirklich richtig sicher gegen Hochwasser ist?!
Lese ich diese Nachrichten, möchte mir fast der Kragen platzen: Wie kann es passieren, dass ein daher gelaufenes Bauunternehmen einfach übersehen kann, dass fast der ganze benötigte Stahl mal eben so nicht eingebaut, sondern weiter verkauft wird? Wie konnte nicht bemerkt werden, dass fast alle Bauprotokolle gefälscht wurden? Wie kann sich besagtes Unternehmen dann wagen, uns weismachen zu wollen, die falschen Protokolle wären durch einen Anwendungsfehler entstanden?! Wie kann es sein, dass die liebe Stadt Köln erst jetzt darauf aufmerksam wird, dass ja ganz eventuell und vielleicht der Pegel des Rheins mit dem Frühling enorm steigen wird und uns ein Hochwasser bevorsteht? (hatten wir hier schonmal Hochwasser?!?!?) Und dann bekannt gibt, im Notfall einfach die Baugrube am Heumarkt zu fluten? Ja und dann? Muss ich demnächst mit einem U-Boot zur Arbeit fahren?
Das Entsetzen wurde immer größer, als ich am Donnerstag an einer langwierigen Sitzung des Hauptausschusses der Stadt Köln im Rathaus teilnehmen musste. Nach einer Rede des Oberbürgermeisters ("Wir müssen im Bezug auf die U-Bahn das Vertrauen der Bürger zurückgewinnen!" Haha.) kam der Chef der KVB (das sind die Kölner Verkehrsbetriebe, die die U-Bahn bauen, als Info für Nicht-Kölner) ans Mikrofon, um in der folgenden halben Stunde einen Fachchinesisch-Sermon vom Stapel zu lassen, der mich nur Bahnhof verstehen ließ. Die ganze Zeit kämpfte er dabei mit seinem Computer, schaffte es nicht, die CD in das Laufwerk zu schieben bzw. die Präsentation vernünftig abzuspielen. UND SO JEMAND DARF HIER IN KÖLN EINE U-BAHN BAUEN?!
Habt bitte Nachsicht mit mir und meiner Wut, aber ich wohne nicht allzu weit von der - vielleicht bald schon unter Wasser stehenden - Haltestelle Heumarkt entfernt. Auch das Mahnmal Stadtarchiv (oder das Loch, wo es mal stand), liegt in Reichweite und wirft jedes Mal den Gedanken auf: Was stürzt als nächstes ein? Wo kann man überhaupt noch entlang laufen, ohne sich in Lebensgefahr zu wähnen?