Sonntag, 21. Februar 2010

"Manchmal kann die Wahrheit nur erfunden werden."


Foto: Ingrid von Kruse

Ich habe es schon mehrmals hier erwähnt: Ich bin ein großer Fan von Siegfried Lenz. Vor rund zwei Jahren fand ich eine relativ zerfledderte Ausgabe seines wohl bekanntesten Werkes, Deutschstunde, in der Buchbox in Bonn - und war sofort verliebt. Nun habe ich die Ehre seinen neuesten Streich Landesbühne zu rezensieren; da Herr Lenz im März zur lit.COLOGNE kommen wird, hat es somit Bedeutung für Köln (wir sind schließlich ein Stadtportal, kein Literaturportal) - und der Verlag hat großzügig ein Leseexemplar herausgerückt.

Das kleine, nur 119 Seiten starke Büchlein kann man getrost der Sparte "Novelle" zuordnen, da es, um mal die Literaturwissenschaftlerin raushängen zu lassen, eine "unerhörte sich ereignete Begebenheit" beschreibt. Wir befinden uns mitten im Trubel eines Gefängnisses in Isenbüttel, einem eher locker-flockigem "festen Haus" mit allerlei urigen Bewohnern. Geschildert wird die Geschichte aus der Sicht des Literaturprofessors Clemens, der einige seiner Studentinnen mit Auszeichnung durchs Examen gebracht hatte - weil sie zuvor bei ihm genächtigt hatten. Dieser Clemens wird nun, eher unfreiwillig, in die Pläne seines Zimmernachbarn Hannes - einem grobschlächtigen, aber irgendwie sympathischen Mann - einbezogen: Wenn die Landesbühne für eine Aufführung im Gefängnis vorbeikommt, will man den Theaterbus kapern und abhauen. Was auch gelingt.

Die folgenden Seiten sind dann - nimmt man es genau - ziemlich hahnebüchen: Die Herren entwischen also und fahren ins benachbarte Dörfchen Grünau, wo sie mitten ins alljährliche Nelkenfest platzen und sofort begeistert aufgenommen werden, ja über die Wochen das ganze beschauliche Landleben umkrempeln. Kurz wollte ich während der Lektüre den Finger heben und sagen: "Ääh, ja." Wenn da nicht der Satz auf der Rückseite des Buches wäre: "Manchmal kann die Wahrheit nur erfunden werden." Denn vielleicht ist es gar nicht so abwegig, dass die entflohenen Sträflinge über Wochen nicht entdeckt werden, weil sie sich eben nicht verstecken, sondern den Schutz in der Öffentlichkeit suchen? Dass die "Rückreise" in das "feste Haus" dann gewaltlos und friedlich verläuft, überrascht nicht. Denn für die Insassen war es letztendlich nur ein "so tun als ob", ein Theaterspiel.

Ein schönes Buch, ein gewohnt klar und schnörkelos geschriebenes Geschichtchen, welches mir das Wochenende versüßte. Bei der Lesung mit Herrn Lenz im März werde ich allerdings dennoch meine vergilbte Ausgabe der Deutschstunde signieren lassen...

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