Mittwoch, 9. Mai 2012

//Gehwegschäden//

Das war schon ganz nett, als vor etwas weniger als zwei Jahren eine Gruppe Künstler am hellichten Tage riesige Bottiche mit wasserlöslicher Farbe auf den Rosenthaler Platz kippten und dank zahlreicher Autos die Kreuzung in ein pastelliges Farbspektakel verwandelten. Sonst ist der Platz ja auch alles andere als schön. 

Ob Autor Helmut Kuhn bei der Aktion wirklich dabei war - ich weiß es nicht. Sicher ist aber, dass diese ungewöhnliche Form der urbanen Intervention eine wichtige Rolle spielt in seinem kürzlich erschienenen Roman Gehwegschäden. Gehwegschäden, das sind diese kleinen Schilder auf den Bürgersteigen dieser Stadt, die auf verschobene Bodenplatten oder irreparable Löcher im Asphalt hinweisen, eigentlich formulieren sie aber vor allem eines: Hamm wa zur Kenntnis jenommen, könn' wa aber nüscht mehr ändern. So wie man sich also nach und nach angewöhnt, jeden Morgen über die zersplitterte Bürgersteigplatte vor der Haustür zu stolpern, findet sich auch Protagonist Thomas Frantz mit dem alles andere als befriedigenden Zustand seines Lebens ab. 

Frantz heißt der Gute also - Franz Biberkopf!, rief das Feuilleton sogleich entzückt - und in der Tat erinnern die Anfangssequenzen des Romans mitunter an das expressionistische Satzfetzenstakkato von Berlin Alexanderplatz, irgendwie befinden wir uns ja auch in denselben Spielstätten, wenn auch einige Jahrzehnte später. Dieser Kerl ist also freier Journalist, passionierter Schachboxer und Profi darin, die Zeit zu verplempern. So zieht er uns mit auf eine Tour durch die dunklen Ecken Berlins, hinein ins Zentrum des kreativen Prekariats, zur Eröffnung eines riesigen Elektronikmarktes am Alexanderplatz, kurz mal zwecks Recherche in einer Kabbala-Gruppe vorbeischauen, spätnachts in den Swinger-Club, nicht zur Recherche, und dazwischen immer wieder Schach und Boxen, Boxen und Schach und ein Typ namens Jascha mit einem gelben Irokesen-Haarschnitt, tja. 

Herausgekommen ist dabei ein durchtriebenes Fragment, welches mal hinein zoomt in das Leben eines Berliner Kreativen, dann wieder hinaus, zwischen arbeitswütigem Enthusiasmus und depressiver Lethargie pendelt, von himmelhochjauchzend zu Tode betrübt schwankt, den Finger in die Wunde des Kreativprekariats piekst und stellenweise etwas anstrengt. Ist das the next Big Berlin Roman?

3 Kommentare:

Earny from Earncastle hat gesagt…

die Aktion vor 2 Jahren war ja eine tolle Idee!
du informierst immer so detailliert zum Leben in Berlin / Köln.. ich sammle die schönsten Ecken Deustchlands.. hast du Lust dabei zu sein?

Fräulein Julia hat gesagt…

Eine sehr schöne Idee!

Earny from Earncastle hat gesagt…

danke. ich freue mich, dass du mitmachen willst!
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