Samstag, 17. April 2010

Böll'sche Piefigkeit.


© Hermann und Clärchen Baus

Im Schauspielhaus Köln (das, welches jetzt zu meiner großen Freude stehen bleibt) fand gestern die Premiere von Heinrich Bölls "Billard um halb zehn" statt, welches hier allerdings unter dem Namen "Wozuwozuwozu" lief. Und auch ich feierte eine kleine Premiere: Ich bin das erste Mal bei einem Theaterstück in der Pause gegangen.

Dabei hatte das Stück doch soviel Potential: Als der Vorhang sich hob, schauten wir mitten in eine Kulisse altdeutscher Piefigkeit der kölschen Adenauer-Ära des Jahres 1958. Nierentische, Samtsessel (exakt ein solcher steht auch in meinem Arbeitszimmer), viereckige Eichen-Paneele an der Wand, Frauen mit Turmfrisuren und Kostümchen, junge Mädchen in Petticoats. Meine Augen leuchteten. Dazu bot die literarische Grundlage einiges an Konfliktpotential, handelt die Geschichte doch von drei Generationen von Männern: Der Großvater hat in Köln die Abtei St. Anton aufgebaut, der Sohn sie als Nazi im Krieg gesprengt, der Enkel baut sie aus den Trümmern wieder auf. Dazu Frauenfiguren, die die vergangenen Jahre mehr schlecht als recht verkraftet haben.

Man denk: Ui, gleich gehts rund, macht euch Vorwürfe, werft euch das gute Porzellan um die Ohren, schreit euch an. Aber: Nichts. Stattdessen stets zwei Personen zwecks Dialog auf der Bühne, bei der jedoch ausschließlich eine Person spricht, manchmal 15 Minuten lang - ellenlange, monotone und absolut emotionslose Monologe sollte man eher sagen. Wenn man die Schauspieler denn überhaupt verstehen konnte: Die Akustik im Schauspielhaus ist tatsächlich nicht die beste, aber an diesem Abend lag es eindeutig an den Schauspielern, die sich - oftmals mit dem Rücken zum Publikum - durch ihren, teils kölsch gefärbten Text nuschelten und das Zuhören zu einem Akt reiner Anstrengung machten.

Während mein Sitznachbar (nicht meine Begleitung, wohlbemerkt) deshalb schon weit vor der Pause einschlief und ein Schnarchkonzert startete, versuchte ich hartnäckig, meine Aufmerksamkeit auf das "Geschehen" auf der Bühne zu richten. Als einer der Charaktere "Kaffee bitte, ganz schwarz und sehr heiß" orderte, hätte ich gerne "Für mich auch, bitte, aber mit ein bisschen Milch!" gerufen. Stattdessen holten wir in der Pause unsere Mäntel und gingen, ich selbstverständlich nicht ohne Gewissensbisse: Muss ich als Kritikerin nicht die Zähne zusammenbeißen und durchhalten? Weitere anderthalb Stunden in diesem Theaterstück wären allerdings reine Zeitverschwendung gewesen, passend zum Titel "Wozuwozuwozu" ?!

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

liebe julia, grüße aus dem grab und der fröhliche hinweise, dass man über stücke, die man nicht zu ende gesehen hat zumindest nicht schreibt. dein hein

Fräulein Julia hat gesagt…

Hallo Hein,
dieser Blog spiegelt meine persönliche Meinung wieder, da darf ich alles schreiben.
Einen Artikel wird es wohl aber nicht geben, da hast du völlig Recht! Ich weiß ja schließlich nicht, wie es ausgegangen ist.