Montag, 9. Mai 2011

Fischvogel


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Erinnert ihr euch noch an die Sommerferien, so mit 13 oder 14 Jahren? In denen man sich vielleicht schon erwachsen fühlte, es aber noch lange nicht war - und sich bei wilden Fahrradrennen noch die Knie aufgeschürft hat, um dann sprichtwörtlich Rotz und Wasser zu heulen? Diese angestrengte Stille in der Luft, das Surren von Langeweile? So fühlte es sich zumindest an in dem Dorf, in dem ich aufgewachsen bin. Und diese Stimmung durchzieht auch den Roman "Fischvogel" von Beate Rothmaier, den ich fast in einem Tag durchgelesen habe.

Hier befinden wir uns allerdings nicht - wie bei meiner Kindheit - in den frühen 90ern, sondern im Jahr 1974. Mika ist 14 und gelangweilt: Ihre großen Brüder brechen ohne sie zum Zelten auf und ihre Mutter kümmert sich ausschließlich um den an Leukämie erkrankten kleinen Bruder. Der Vater - ein Künstler - ertränkt den Schmerz um den kranken Sohn mittels viel Rotwein im Atelier. Dazwischen Mika.

"Jetzt, in ihrem Baumhaus, am Beginn eines langen Sommers, sah sie die vor ihr liegenden Ferienwochen wie einen Quecksilbersee, eine endlose, unbewegte Fläche, nichts, woran das Auge sich klammern könnte, keinerlei Abwechslung, kein Horizont." Mika sehnt sich nach Abenteuer, weshalb sie sich bei jeder Gelegenheit in ihre Gedankenwelt verliert, als blinder Passagier auf einem Dampfer in der Karibik mitfährt oder die Bekanntschaft mit starken und zwielichtigen Männern macht. Überhaupt, Männer: so langsam erwacht auch die Sexualität, die Hitze macht das jetzt auch nicht besser, und so gehen die Phantasien mit dem jungen Mädchen durch: War da nicht jemand im Gebüsch, der sie beim Baden im See beobachtet hat?

Immer wieder verschwimmen Realität und Phantasie in diesem zauberhaften Roman, über dem dennoch eine unangenehme Schwüle liegt - die ungeklärten Probleme, die nicht kommunizierten Sehnsüchte und Wünsche tropfen hier aus jeder Seite. Und bleiben doch unausgesprochen. Und am Ende des Sommers - was wird aus dem kranken Bruder, der abgehobenen Freundin, den unaufmerksamen Eltern und Mika, an der Schwelle des Erwachsen werdens? - ist dann sowieso nichts mehr, wie es war. Beate Rothmaier hat mit "Fischvogel" einen Roman geschaffen, der einen von der ersten Seite an in die Geschichte hineinsaugt und einen erst wieder freigibt, wenn das letzte Wort gesagt ist - oder auch nicht. Also empfehlenswert.

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

hört sich interessant an, hab's mal auf meine ausleih-liste gesetzt.

&: als erstes musste ich an "der geschmack von apfelkernen" denken, & dann hab ich festgestellt, dass die beiden ocver sich recht ähnlich sind. seltsam.

gruß, stephani

Fräulein Julia hat gesagt…

"Der Geschmack von Apfelkernen" zählt zu meinen Lieblingsbüchern - und zumindest ansatzweise (da sehr ruhig etc.) ist die Atmosphäre hier ähnlich.

Earny from Earncastle hat gesagt…

das klingt nach einem tollen Buch!