Sonntag, 11. April 2010

Deine Fassade beginnt zu bröckeln.


© Sandra Then

"Ich muss mal irgendwie anfangen etwas aus diesem angefangenen Leben zu machen!"

Passen Altmeister Goethe und Skandalnudel Helene Hegemann zusammen? Kann man ihre Texte auf irgendeine sinnvolle Art und Weise verbinden? Die Rheinischen Rebellen 2.0 versuchen es und bringen mit "Deine Fassade beginnt zu bröckeln" eine betörend verwirrende Inszenierung über die Orientierungslosigkeit der Jugend auf die Bühne der Halle Kalk - huch, so offiziell wollte ich diesen Artikel gar nicht beginnen, wir kommen hier ja schließlich in kleinem Rahmen zusammen. Aber es ist noch früh...

Jedenfalls: Was bedeutet Jugend? Wie definiert sich Jugend und besteht sie Kultur- und vor allem Epochenübergreifend hauptsächlich aus Komplexen, Selbstzweifel, Verlangen nach Sex und Liebe? Wenn ich meine persönliche Lebenskassette um ca. zehn Jahre zurückspule, muss ich sagen: Ja.

Die Rheinischen Rebellen bringen das in diesem Falle ideal zum Ausdruck. Das Durchschnittsalter liegt bei, puuh, ich würde mal auf 20 Jahren tippen, da hängt man ja fast noch drin in der ganzen Pubertätsgeschichte mit Pickelcreme und Knutschversuchen. Und der Rebellion gegen die gefühlte Piefigkeit der Elterngeneration, der "Um zehn bist du aber zuhause!" - Vorschriften. Auf der Bühne beginnt die Rebellion schon gleich zu Beginn: Die Zuschauer sitzen auf der eigentlichen Bühne, die Schauspieler haben die rotsamtigen Zuschauer-Stuhlreihen okkupiert, tanzen auf, um und unter ihnen herum, schmeißen sie um, bemalen sie, stolpern über die Lehnen. Grenzen scheint es hier erstmal nicht zu geben.

Doch die Herren (sie spielen "Die Leiden des jungen Werther") und die Damen (die "Ariel 15" von Helene Hegemann verkörpern) müssen dann doch erfahren: Wenn es nicht die Eltern sind, die dir Grenzen setzen, so ist es letztendlich das Leben selbst. Werther hat - da kann er sich noch so ins Zeug legen - einfach keine Chance bei der lieblichen Lotte, die ist schließlich schon verlobt. Und die namenlose, 15-jährige Hegemann'sche Protagonistin muss feststellen, dass die Freiheit, alles zu tun, was man will, auch irgendwie langweilig ist.

Ich war nicht immer fasziniert von dieser Inszenierung, denn Goethe und Hegemann sind sich zwar inhaltlich (Stichwort: jugendliche Verwirrtheit) relativ ähnlich, sonst aber so verschieden wie Nutella und Nuspli. (Obacht: Da gibt es einen GROßEN Unterschied!) Hinzu kommt die Tatsache, dass die Kompanie monatelang nach Geschlechtern getrennt geprobt hat: Die Schauspieler agieren höchstens körperlich miteinander, die Texte werden zwar ineinander verwoben, aber es gibt keine gemischt geschlechtlichen Dialoge. Das verwirrt gelegentlich.

Auch für Nicht-Kenner der Hegemann'schen Prosa können sich die 120 Minuten Spieldauer kaugummiartig in die Länge ziehen: Bei Sätzen wie "Ich rebelliere, weil mir nichts anderes übrig bleibt als mein Fehlverhalten mit meinem kleinkindlichen Drang zur Rebellion zu legitimieren", denke ich nur, come on, welches 15-jährige Gör spricht schon so? Irgendwie machte der Abend aber dennoch Spaß.

Am 11. und 15. April gibt es noch Aufführungen von "Deine Fassade beginnt zu bröckeln" in der Halle Kalk.

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