Donnerstag, 18. Juni 2009

"Es lebe der Kapitalismus!"


© David Baltzer

"Aufgrund der aktuellen Ereignisse wird dieses Stück immer weitergeschrieben. Momentan sind wir bei 99 Seiten; in der letzten Aufführung sind wir damit in 3 1/2 Stunden durchgekommen - die Tendenz ist eher steigend." Puuh. Was das Schauspiel Köln da am vergangenen Mittwochabend mit "Die Kontrakte des Kaufmanns" auf die Bühne des Schauspielhauses gebracht hat, kann ich mit nur zwei Worten umreißen: Ein Riesenspektakel!

Man hielt sich an die sich stets aktualisierende Manuskriptform, die Schauspieler lasen den Text von den Blättern ab, eine große Leuchtanzeige zählte die Seiten runter, das Saallicht blieb lediglich gedimmt und die Türen offen. Denn: "Wir machen keine Pause!" Während das Ensemble also auf der Bühne herumturnte, schrie, tanzte und sich über die Machtgeilheit und Geldgier der Investment-Banker ausließ, wurde es im Saal teilweise ziemlich unruhig, wenn das Publikum - dank Rudelverhalten - scharenweise in den Erfrischungsraum strömte, ich ständig den Samtsitz hochklappen und mir auf die Füsse treten lassen musste.


Wir haben ohne Pause durchgehalten. Denn das Stück ist erstaunlicherweise äußerst erfrischend, wenn auch sehr desillusionierend - nach diesem Abend lege ich mein Geld garantiert bei keiner Bank an und lasse mich nie wieder mit säuselnden "15% Rendite per annum! Jahaaa!" Versprechungen locken. Vielmehr regt sich in mir der Wunsch, diesen blöden, zeitraubenden Kapitalismus hinter mir zu lassen und in eine Selbstversorger-Kommune auf dem Land zu ziehen. Aber hmm, auch da muss man wohl Steuern zahlen.

Wer das Stück noch in dieser Spielzeit sehen möchte, hat nur noch am kommenden Montag, 22. Juni die Chance dazu - aber in der nächsten Spielzeit ist es auch wieder dabei. Ich sage euch: Es ist lang, a, aber grandios! Die minutenlangen standing ovations sprachen für sich.

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