Los Ingravidos heißt der erste Roman der mexikanischen Autorin Valeria Luiselli im Original, für uns detailgetreu übersetzt als Die Schwerelosen. Es ist ein Titel, der wie die Faust aufs Auge zu dem Inhalt passt, der sich hier auf knapp 200 Seiten entfaltet.
Wir sehen durch die Augen einer namenlosen Schriftstellerin, die - nicht so wirklich glücklich verheiratet - mit ihrem Mann und zwei ganz bezaubernden Kindern in Mexico City lebt. In jeder freien Minute, die ihr zwischen Babybrei für die Kleine und bespaßen des "Mittleren" (obwohl es kein größeres Kind gibt) bleibt, schreibt sie an ihrem Buch. Halb autobiographisch, halb fiktiv lässt sie darin ihre Zeit als Lektorin in New York wieder aufleben, als sie mit zahlreichen Topfpflanzen, einem Bett, einem Schreibtisch und einem aus dem Büro geklauten Stuhl in einem winzigen Appartment lebte.
In Endlosschleife versucht sie ihrem Verleger schmackhaft zu machen, die Werke eines mittlerweile fast vergessenen Dichters namens Gilberto Owen zu publizieren - als ihr Chef partout nicht anbeißen will, fälscht sie kurzerhand ein Manuskript des Literaten und kommt damit ans Ziel. Mit Folgen. Folgen hat dies nicht nur unmittelbar auf ihre Arbeitsstelle, sondern auch auf ihr Verhalten: Definitiv obsessiv steigert sich die namenlose Erzählfigur in das Leben des 1951 an einer Leberzirrhose verstorbenen Gilberto hinein, fühlt sich von seinem Geist begleitet, bis dieser widerum - eine hübsche Spielerei mit den Möglichkeiten der Erzählperspektive - die Führung in ihrem Roman übernimmt. Wer nun spricht, wird oftmals erst nach ein paar Zeilen deutlich, die meist auch auf nur wenige Zeilen beschränkten Episoden machen es nicht einfacher.
Aber zu einer puren Lesefreude! Valeria Luiselli reizt die Möglichkeiten des Perspektivenwechsels so lange aus, bis die Grenzen zwischen den Personen - der namenlosen Autorin und dem längst verstorbenen Dichter - bis zur Unkenntlichkeit zerfasern. Die Fragmente verschiedener Leben schweben durch die Zeitgeschichte, bis sie unauflösbar miteinander verschmolzen sind. Wer ist wer? Worum geht es hier genau und wo soll das eigentlich alles hinführen?
Diese Autorin sollte man im Auge behalten.
Valeria Luiselli, Die Schwerelosen, Kunstmann Verlag, 190 Seiten, Hardcover, 16,95 Euro.
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