Montag, 14. Mai 2012

//Wir müssen über Arbeit reden//

via Sabino
Wie kommen wir je wieder davon weg, nur glücklich zu sein, wenn wir arbeiten? Wobei die Arbeit nie nach Arbeit aussehen darf, nur nach Spaß. Und das verkaufen wir uns als Erfolg, uns und den Freunden um uns herum, die darauf hin noch mehr arbeiten, um irgendwie anzuknüpfen an dieses Erfolgskonzept, das ungefähr so lautet: Weil ähm mich das irgendwie glücklich macht und weil ich irgendwie immer das Gefühl habe, dass ich das machen muss, so aus einem inneren Zwang heraus.

Mehr oder weniger unvermittelt geriet dieses Buch in mein Leben, wie das mit wirklich guten Büchern häufig so ist - es packte mich sofort am Trenchcoatkragen und schüttelte mich, bis meine Gelenke wackelten wie bei einer Gliederpuppe: Wie um Himmels Willen bist du da hineingeraten, in diesen neverending Strudel des Kreativprekariats, der KreatIVbranche, welche sich für lächerliche Löhne den Hosenboden abarbeitet? Wo man nie die Bürotür hinter sich abschließt und das Privatleben betritt, denn das überschneidet sich viel zu häufig, nein - falsch - ist in vielen Fällen sogar einfach identisch!

Wovon ich rede? In erster Linie von dem neuen Streich von Jörg Albrecht, der da heißt Beim Anblick des Bildes vom Wolf. Die Story ist ganz unverhohlen in Berlin lokalisiert und hautnah am pochenden Puls des Kulturkapitals, welches die arm aber sexy-Fraktion seit Jahren über die Stadtgrenzen hinaus freudig strahlend als Aushängeschild hochhält und gleichzeitig die Akteure in ihrer akkumulierten Kreativität schutzlos versauern lässt. 

Ständig connecten ist anstrengend

In diesem Roman - semi-real, semi-fiktiv, behaupte ich mal - geht es um Thies und seine "soziale Bezugsgruppe", Wanda, Jonte, Pelle, Jasper. Alle 30 und ausgestattet nicht allein mit außergewöhnlichen Namen, sondern auch mit einer geballten Portion Idealismus. Den braucht man auch um sich durchzukämpfen in dieser Stadt, denn es ist furchtbar anstrengend, rund um die Uhr zu connecten, wie man so schön sagt. Auf bizarren Performances mit abgebrühtem Blick hippe Kaltgetränke zu schlürfen. Überstunden zu schieben und sich finanziell ausbeuten lassen, um im Anschluss vielleicht einem wichtigen Menschen die Visitenkarte überreichen zu dürfen, der sich im entscheidenden Moment möglicherweise an einen erinnern und für ein lukratives "Projekt" einspannen könnte. 

Aber hey, es ist total selbstbestimmt, unser Leben, das wollten wir doch immer: Sein eigener Chef sein, bis Mittags schlafen, im Café schreiben, ständig interessante Leute kennenlernen. Das mit dem verschwindend geringem Gehalt, den unbezahlten Überstunden und den vor Sorgen schlaflosen Nächten, das hat uns niemand vorher gesagt! (Oder wir haben nicht hingehört)

Vor zehn Jahren waren die Träume von der Zukunft irgendwie noch anders, stellt Thies fest, der sich die Zeit - neben der Arbeit - mit schnellem, anonymem Sex und einem aussichtslosen Filmprojekt von Jasper vertreibt: Es ist wie der Look eines Musikvideos aus den späten Neunzigern oder auch den frühen Nullerjahren, auf einmal sagt uns so ein Video so klar, aus welcher Zeit es kommt [...]. Und, sagt Thies, wenn wir uns unseren Traum vom besseren Leben anschauen, sieht man diesem Traum auch den Look seiner Zeit an, und so stimmen das, was im Traum zu sehen ist, und der Look dessen, was heute in real zu sehen ist, nicht hundertprozentig überein, und dieses Nichtübereinstimmen, das hatten wir nicht vorausgesehen.

Irgendwie hatten wir uns das alles anders vorgestellt. Und dennoch - hätten wir den Mut, etwas zu ändern?

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