Donnerstag, 1. September 2011

Zu Gast in Wolfsburg


Ausstellungsansicht

"Meine Fliege passt ja perfekt zum Muster ihrer Bluse!", sagte der schon etwas betagte Journalist, bevor er sich im ICE nach Wolfsburg neben mich setzte, seinen Schnupftabak aus der Innentasche seines Jackets zog und sich diesen unter die Nase rieb. Deshalb mag ich Pressereisen: Weil man für einen oder mehrere Tage mit völlig fremden Menschen zusammengewürfelt wird und sich dennoch sofort versteht. Wir sind schließlich alle Journalisten, sitzen alle im gleichen Boot!

In diesem Fall verschlug es uns für einen Tag nach Wolfsburg, das sich gerne als "Vorstadt von Berlin" bezeichnet, weil per Zug in knapp einer Stunde zu erreichen. In Wolfsburg gibt es eigentlich nichts, außer Autoindustrie - und ein großes Kunstmuseum, welches im regelmäßigen Turnus kunsthistorisch wundervolle Ausstellung aus dem Hut zaubert, nach denen sich so manch anderes Museum die Finger leckt. Mit einer Kollegin vermutete ich, dass die Ausstellung mit einer wohl proportionierten Förderung aus Auto-Kreisen gesponsert wird, damit Wolfsburg zumindest ein bisschen attraktiv für potentielle Manager wird. Was die Leiterin des Hauses denn auch indirekt bestätigte, als sie auf die Nachfrage nach der erwarteten Besucherzahl sagte: "Ach, Besucherzahlen, darauf schielen wir gar nicht." Welches Museum kann dies heutzutage noch sagen, ohne direkt der Heuchelei bezichtigt zu werden?

Achja, weswegen wir überhaupt dort waren: Am 3.September eröffnet in besagtem Museum die Ausstellung "Henri Cartier-Bresson. Die Geometrie des Augenblicks", in der rund 100 Fotografien des 2004 verstorbenen "Schnappschussfotografen" ausgestellt werden. Bevor jetzt wieder jemand meckert: Cartier-Bresson selbst liebte den Schnappschuss - auch wenn dieser begnadeterweise bis ins feinste Detail stimmt. Sein Credo lautete nicht ohne Grund: "Sehen - Zielen - Auslösen - Verduften", Stative schleppte er grundsätzlich nicht mit, nur eine kleine Leica "die er wie eine Krawatte um den Hals trug" machte seine ganze Ausrüstung aus.

Natürlich wird in Wolfsburg hauptsächlich die Crème de la crème seiner Abzüge gezeigt. Die hat er übrigens noch selbst ausgewählt und angeordnet, die Fotokünstlerin Frauke Eigen hat sie dann aber in eigener Hängung angeordnet. In diesem Falle ist sie dabei nicht chronologisch vorgegangen, sondern orientierte sich an der inhaltlichen Komponente: Da eine Reihe mit Schattenbilder, dort verschiedene Schneehügel, hier Rückenansichten von Menschen. Das hat gut funktioniert.

Was wiederum nicht so gut funktioniert hat, war wohl die Recherche: So ist ein Bild mit Booten auf dem Rhein bei Andernach betitelt mit "Deutschland, Rheinland Westfalen, Andernach". Das es kein Bundesland gibt, welches Rheinland Westfalen heißt, Andernach darüber hinaus weder im Rheinland, noch in Westfalen, sondern in Rheinland-Pfalz liegt - das habe ich mich dann doch nicht getraut, den Kuratoren in all ihrer Freude über die Eröffnung zu stecken.

Die Ausstellung läuft vom 3.September bis zum 13.Mai 2012 im Kunstmuseum Wolfsburg. Geöffnet ist Dienstag 11 bis 20 Uhr sowie Mittwoch bis Sonntag von 11 bis 18 Uhr. Der Eintritt kostet 8 Euro bzw. 4 Euro ermäßigt.

3 Kommentare:

Fanny Heather hat gesagt…

ich musste gerade so lachen bei "Wolfsburg, das sich gerne als "Vorstadt von Berlin" bezeichnet"! ich wusste das gar nicht - sau lustig!

Fräulein Julia hat gesagt…

Ja, wir haben auch sehr gelacht. Aber deshalb lassen sie ja auch zu jeder Eröffnung eine Horde Journalisten aus Berlin "einfliegen". Weil man von Berlin nach Wolfsburg auch nicht länger als von Prenzlberg nach Wannsee braucht ;)

Fanny Heather hat gesagt…

aber gar nicht so dumm von den wolfsburgern, das muss man ihnen lassen!