Samstag, 13. März 2010

Die Unschuld des Tagebuchs.



Nachdem ich am Donnerstag Abend mit der Lesung/Diskussion mit Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller und dem chinesischen, regimekritischen Künstler Ai Weiwei bereits den eindeutigen Höhepunkt der lit.COLOGNE erleben durfte (wieso steht der eigentlich am Anfang?), ging es gestern Abend aufregend weiter.

Man hatte Martin Walser eingeladen, den großen deutschen Romancier, der vor allem durch seine seit Jahren andauernde Hass-Liebe zu "MRR", also Herrn Reich-Ranicki, für Furore sorgte. Walser scheint ein sehr produktiver Mensch zu sein: Er hat zwar keine festen Schreibzeiten - "Ich bin doch nicht Thomas Mann! Ich muss auf Situationen reagieren!" - jedoch sein aktuelles Tagebüchlein immer dabei. Dort hält er alles fest, was ihm in den Sinn kommt, Aphorismen, Gesprächsausschnitte, Gedanken, also Satzfetzen, die in "kein anderes Genre als das Tagebuch passen würden", betonte er.

Die Tagebücher aus den Jahren 1974-1978 wurden jetzt veröffentlich, wobei der Autor penibel darauf geachtet hat, dass nichts geändert oder korrigiert wird: "In einem Tagebuch darf nachträglich nichts geändert werden, höchstens gekürzt. Das ist die Unschuld des Tagebuchs." Viele Sätze hängen deshalb etwas zusammenhangslos in der Luft herum, aber, "So war das damals eben, so habe ich mich gefühlt." Selbstverständlich wird in diesen Heften auch die barsche Kritik über "Jenseits der Liebe" erwähnt, in der MRR Herrn Walser jegliche Fähigkeit zur literarische Produktion absprach; Um nicht zu platzen oder den Kritiker auf der Stelle "wild zu ohrfeigen" kotzte er sich in einem längeren Eintrag ordentlich aus. Man kennt das ja: Therapeutisches Schreiben.

Es war ein wundervoller Abend der Lust darauf gemacht hat, mal wieder so richtig ausführlich Tagebuch zu schreiben (ich tue das schon seit bestimmt 16 Jahren) - aber veröffentlichen werde ich sie nicht...

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