Sonntag, 8. November 2009

Ein Hauch von Bohème



Es half nichts. Die fest eingeplante Begleitung krank, der Freund auf Geschäftsreise, die restlichen Freunde im Lernstreß - aber den Auftrag für den Bericht über die "Lange Nacht der Kölner Museen" schon zugesagt: Ich musste alleine los. Ein wortkarger aber gedankenreicher Abend.

19 Uhr - Ich hole mein Pressebändchen ab. Es nieselt. Zum warm werden beginne ich mit der Ausstellung "Politische Bilder der Sowjetunion" im Museum Ludwig und einem kleinen Streifzug durch das Römisch-Germanische-Museum, in dem ich als Kind viel Zeit verbringen musste.

20:30 Uhr - Modenschau im Museum für Angewandte Kunst. Plötzlich versagt die Kamera. Warum ausgerechnet jetzt?! Zuhause finde ich die Anleitung nicht, schmeiße das Ding wutentbrannt in die Ecke. Es muss auch ohne gehen.

22 Uhr - Spaziergang durch das Atelierhaus KunstWerk Köln auf der "Schäl Sick". Es riecht nach Ölfarbe, Rotwein und Knoblauchbrot. Aus vielen Lautsprechern säuseln französische Chansons. Die Künstler sitzen in mitten von Pflanzen auf 70er-Jahre Plüschsofas. Ein langhaariger Typ mit John-Lennon-Brille flüstert: "Aber der Maler. Also der Maler an sich. Ja. Der ist etwas daneben." Meine Bänderzerrung macht sich bemerkbar.

23 Uhr - Auf Richtung Kulturbunker Mülheim. Im Bus neben mir zwei Besucher: "Bis 3 Uhr halt ich aber nich durch, nee. Und bloss nich nochma Performance!". Ein Kaffee wäre jetzt nicht schlecht. Ich hab erst die Hälfte meiner Liste abgehakt.

23:15 Uhr - Der Kulturbunker ist seltsam. Bettina Juhnke zeigt "Haushaltskunst", indem sie eine nackte Barbie auf einem Handstaubsauger reiten lässt. Niklas Reese hat einen Kochlöffel in einen Blumentopf gepflanzt. Während der Wartezeit auf den Shuttle überlege ich, auf einen Absacker in die "Mülheimer Marktschänke" einzukehren. Besser nicht.

23:45 Uhr - Der Bus ist brechend voll. Ich nehme die Tour Ost und schiebe mich durch das Kunsthaus Rhenania. In einem abgedunkelten Raum spielen ein paar Männer Trance Groove. Macht mich müde.

0:50 Uhr - Im Neuen Kunstforum haben alle Ateliers schon geschlossen. Laut Text tritt einer der Künstler mittels 5cm großer Stoffquadrate (die überall an der Wand hängen) in Dialog mit seiner Umgebung. Mein Kleingeld reicht nicht mal für eine Brezel.

1:11 Uhr - Am Neumarkt kann sich die Tour Nord nicht entschließen zu fahren. Will ich denn die "Hug me, heimlich" verpassen? Die nur einen energischen Steinwurf entfernte Wohnung lockt - ich gebe auf und humpele nachhause.

Nächstes Jahr mache ich das nicht nochmal alleine.

4 Kommentare:

simon hat gesagt…

"einem kleinen Streifzug durch das Römisch-Germanische-Museum, in dem ich als Kind viel Zeit verbringen musste."
das erinnert mich stark an meine eigene kindheit. irgendwie müssen meine eltern gedacht haben, es gibt nichts spannenderes für mich als ausgebuddelte münzen und tonscherben.
auch der rest der nacht hört sich ein wenig ernüchternd an, aber dafür schön geschrieben. konnte mir das lachen hin und wieder nicht verkneifen.
king lear gleich wird bestimmt besser, ich freu mich!

Michelle hat gesagt…

Ach Julia..

so ganz alleine gestern Abend?
Ich hätte dich gerne mitgenommen (:

Es war ein sehr schöner und interessanter Abend mit wundervollen Konversationen.

Bei hug me, heimlich war ich im übrigen.. sehr schöne Location, sehr interessante und modebewusste Menschen und tolle Bilder.
Sehr jung, modern und frisch.

Dir einen schönen Sonntag,
Michelle

Fee ist mein Name hat gesagt…

Pssst, deine Alleine-Nacht-der-Museen-besuchen-Depression kann ich gut nachvollzeihen. Ich habe das hier in Dortmund mal fürs Radio gemacht... Aber wenn du nächstes Ajhr wieder für das Event werden willst, lässt du diesen Post besser unter den Tisch fallen :-)!

stiller hat gesagt…

Ich wäre ja gerne dabei gewesen. Nicht, dass mein Samstag Abendprogramm schlechter gewesen wäre, aber ein bisschen schade war es doch, dass es ausgerechnet an diesem WE war.